Frühling

Ein gelbes Meer aus Forsythien, Butterblumen, Ginster und Osterglocken erblüht.

Erster Gesang aus lebhaften Lerchenkehlen verkündet keck den Frühling. Die Lister Vogelbrut kommt jetzt in Wallung, Gänse- und Entengeschnatter rund um den Königshafendeich. In direkter Nachbarschaft blöken junge Lämmer um die Wette.

Zu bestaunen sind auch fleißige Handwerker, die mit Hochdruck noch schnell die Gästehäuser in Glanz und neuesten Schick setzen. Strandkörbe werden in Stellung gebracht, und mancher reckt sein blasses Gesicht schon der Sonne entgegen. Alles und jeder bereitet sich auf die Saison vor. Man freut sich auf neue Lieblingsgäste, und eine zauberhafte Vorfreude breitet sich den ersten Gästen wie ein roter Teppich aus. Dieser leichte Cocktail aus wundervoller Euphorie und unbeschwerten Erwartungen setzt der Insel seinen fröhlichen Stempel auf. Denn ein neues Spiel ist nun eröffnet, alles ist noch möglich und erscheint irgendwie fabelhaft. Spätestens zu den Ostertagen ist die Insel zum ersten Mal proppenvoll.

Sommer

Rien ne vas plus.

Nichts geht mehr. Auch in List. Die Strände werden bevölkert. Badelustige schmeißen sich in die Fluten. Herrliches Kindergetose lauthals. Der Lister Königshafen wird jetzt das Eldorado für Surfer und Kiter. Sonnenhungrige bewohnen ihre Strandkörbe bis in den Abend und verlassen sie nur zum Essen und Trinken in den umliegenden Lokale. Zwischendurch immer wieder barfuß am Strand, Muscheln suchen und eifriges Zuwarten auf Sommerbräune. Sylter Badeärzte raten jetzt flehentlich: „Lichtschutzfaktor erhöhen und viel Wasser trinken!“

Faites vos jeux! Machen Sie Ihr Spiel! Ein Event jagt das nächste über die gesamte Insel: World Surf Cup und Kite-Surf-Worldcup, Insel-Circus, Winzerfest, German Polo Masters, Meerkabarett, Beach Soccer Trophy, Hafenfest, Literatur- und Musiksommer, kurzum: High Life in Tüten. Alles und jeder blüht auf, vor allem die wunderschöne Heidelandschaft, wenn sie im August sanft die Dünen umgarnt. Zwischendurch einer dieser magischen Sylt-Momente, wenn sich zwischen tiefschwarzen Gewitterwolken plötzlich kraftvolle Sonnenstrahlen Bahn brechen und wie dramaturgische Theater-Scheinwerfer die Lister Wanderdüne noch strahlender in Szene setzen. Glückliche Gäste, die die maritime Betriebsamkeit des Lister Hafens genießen oder die einsame Ruhe entlang des Ellenbogens suchen und finden. Abends entspannen dann alle in ihren Domizilen oder verlängern den Tag in den Bars und Restaurants, um Deutschlands schönsten Sonnenuntergang (fotografieren) nicht zu verpassen.

Herbst

Letzte Sonnenstrahlen finden gnädig Rast

auf Gesichtern, die dankbar quittieren, dass sie den letzten Sommerrahm noch abschöpfen dürfen. Denn für’s kalte Rote-Wangen-Wetter ist’s noch etwas früh. Sylt wäre aber nicht Sylt, wenn nicht der eine oder andere Sturm schon kräftig gegen unsere Wangen schlägt. Die Strandkörbe werden nach und nach repariert und ins Winterlager eingeholt. Geschäftstreibende, Gastronomen und Gastgeber halten noch die Stellung, auch wenn Kundschaft nun rarer wird. - Das nennt man dann Zwischensaison.

Jetzt sieht man die wahren Syltkenner, die zu schätzen wissen, dass man nicht mehr ewig an der Kasse anstehen muss, dass das Essen in den Restaurants nicht nur besser schmeckt, sondern eine Spur freundlicher serviert wird und dass man gute Chancen hat, beim Strandspaziergang nur wenigen Menschen zu begegnen. Trotz mancher Sonne ist die Luft schon recht kühl. Der Fraktion der Hartgesottenen schaut man mit kopfschüttelndem Respekt beim Baden zu. In den Lokalen lässt es sich gemütlich verweilen und versacken beim Gedanken an die kommende, kalte Jahreszeit.

Winter

Wer List in den kalten Monaten besucht,

wird es jungfräulich und verschlafen vorfinden. Die Dinge werden gemächlich angegangen, denn im Tidenhub des Tourismus ruht sich der Sylter Norden nun im Tal des Winterschlafs aus. Eisschollen klirren und knacken. Steife Brisen aus Nordwest schaffen einen klaren Kopf und stärken die Abwehrkräfte. Lippen reißen. Manche Bö schnappt sich, was hinter offen stehenden Fenstern und Toren nur lose herumsteht, und bitte passen Sie nun gut auf die Tür auf, wenn Sie aus Ihrem Auto steigen!
Tote Tanten und Pharisäer wecken die Lebensgeister in wohlig-wärmenden Teestuben und Cafés. - Dann, jäh unterbrochener Winterschlaf: Wie Phönix aus der Asche erwacht Sylt zwischen Weihnachten und Neujahr zu einem inselweiten Halligalli: Zwei Wochen Tohuwabohu inklusive Glühwein trinken, Jöölboom schmücken, Weihnachtsbaden und einen „Guten Rutsch ins Neue“ wünschen.

Nach dem Jahreswechsel leben Sylter Eingeborene plötzlich wieder unter sich. Mit Glück liegt Schnee, und alles wirkt noch ruhiger und gedämpfter und langsamer. Nun offenbart sich die leise Ur-Seele der Insel: Spätestens jetzt versteht jeder, warum dieser Flecken Erde so schön, sensibel und schutzbedürftig ist.

Ein erstes Lebensfeuer sendet der Sylter Norden in jedem Jahr dann sprichwörtlich am 21. Februar, wenn die Biike, ein großer Scheiterhaufen alten Holzgezweigs, angezündet wird. Dies ist ein Jahrhunderte alter friesischer Opferbrauch, mit dem jedes Jahr der Legende nach der Winter vertrieben werden soll und allererste Gäste wieder "Herzlich Willkommen" geheißen werden.